Geboren: 14.03.1993 - Gestorben: 12.12.1997
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Es begann 1976. Mit einem Studienfreund verabredete ich mich im ersten Semester am Chinesischen Turm in München, um bei den ersten erwärmenden Frühlingssonnenstrahlen im Biergarten die erste gemütliche Maß zu trinken.
Als ich ihn erblickte, stockte mir fast der Atem. Er schlenderte fröhlich pfeifend durch diese so herrlich zentral gelegene 'Grüne Lunge' Münchens, und neben ihm trottete ein Riesenhund, wie ich bis dahin noch keinen gesehen hatte.
Gut, als 7-jähriger war mir einmal fast das Herz stehen geblieben, als ich bei einem Schulfreund klingelte und mich plötzlich beim Öffnen der Haustür eine Deutsche Dogge neugierig ohne Scheu aus 15 Zentimetern Distanz Auge in Auge begrüßte. Bei der Ermunterung, doch reinzukommen mit der inzwischen schon so oft gehörten Standard-Aussage: "Keine Angst, der macht nichts!", stand ich sekundenlang wie angewurzelt auf dem Treppenabsatz, vor lauter Schreck absolut unfähig, mich auch nur noch um einen einzigen Zentimeter zu bewegen. Innerhalb kürzester Zeit war dieser Schock jedoch überwunden und zwischen Pluto und mir entwickelte sich eine im wahrsten Sinne des Wortes und insbesondere für meine kindliche Größe "riesige" Freundschaft . Seit diesem Erlebnis hatte ich jegliche Angst vor großen Hunden verloren.
Aber was ich an diesem Frühlingsnachmittag erblickte, stellte alle früheren Erfahrungen und Erlebnisse mit großen Hunden in den Schatten. Ich war in diesen Riesen (er hieß Racky) verliebt, bevor ich ihn überhaupt kennen lernte und erfuhr, dass es ein Irish Wolfhound ist.
Allerdings konnte offensichtlich eine ältere Dame meine Begeisterung nicht ganz teilen. Während ich mit deutlich beschleunigtem Schritt auf meinen Bekannten zulief mit den Worten: "Das ist doch nicht etwa Dein Pferd", klammerte sich die gut gekleidete Seniorin an eine jüngere Frau, offensichtlich ihre Tochter und fauchte Racky mit einem einzigen Wort an: "Weg!" Der drehte auch prompt halb ungläubig, dass ihn jemand zurückweist, beleidigt ab und erkundete dann eher gelangweilt, wer da auf sein Herrchen zustürmte. Während wir lachten und uns einen Platz im Biergarten suchten, wo sich auch für Racky genug Platz zum Hinlegen fand, begrüßte er mich eher mit dezenter Neugierde. In seinem Hinterkopf arbeitete aber schon was anderes: er ließ nämlich anschließend die alte Dame nicht mehr aus den Augen.
Wie zufällig schlenderte er dann 2-3 mal in ihre Richtung, sie saß ganz in der Nähe. Als er wieder wie achtlos an der Bank vorbeilief, strich die bestimmt schon in den hohen Siebzigern angelangte und zuvor so ängstliche Münchnerin plötzlich absolut unerwartet mit einer ganz kurzen ruckartigen Handbewegung über sein Hinterteil, um dann die Hand um so schneller wieder zurückzuziehen. Als hätte er genau darauf gewartet, blieb Racky abrupt stehen, drehte langsam den Kopf zu ihr rum - und ab diesem Moment war der Bann gebrochen. Es gab Streicheleinheiten ohne Ende. Als wir nach circa einer Stunde gingen, meinte die alte Dame: "Wieso gehen sie denn schon, jetzt wo es so schön ist?"
Seit diesem Tag wusste ich: Wenn ich einmal einen Hund bekommen sollte, dann nur einen Irish Wolfhound. Und 17 Jahre später, in denen ich zum Beispiel Bilder in Zeitungen von Curd Jürgens, Wim Thoelke, Hans Clarin, Kaiserin Sissy mit ihren Irish Wolfhounds (siehe Foto-Album) und Berichte wie "Ein Engel auf vier Pfoten" gesammelt hatte, war es tatsächlich soweit.
Nach einem schweren Autounfall 1992 wechselte ich meinen Wohnsitz von München-Schwabing weg zu meiner späteren Familie ins Münchner Umland. Als Trost machte meine Frau den Vorschlag, dass wir uns ja meinen Traumhund als Ausgleich zulegen könnten, wenn ich zu ihr und ihrem Sohn auf das Land ziehe. Allerdings hatte sie genauso wenig einen blassen Schimmer davon, was da auf sie zukommen sollte wie ich umgekehrt von der bevorstehenden Leasing-Vaterrolle. Als wir - ich noch mit Halskrause - Wochen später beim ersten Züchter vorbeischauten, blieb meine Frau auf dem Bauernhof wie angewurzelt stehen, als ihr plötzlich 10 Sanfte Riesen in allen Größenvariationen gegenüber standen. Beim anschließenden Gespräch blieb sie ungewohnt wortkarg. Und als wir anschließend wieder ins Auto stiegen und ich sie mit vor Begeisterung glänzenden Augen beim Losfahren bestürmte, was sie von diesem Traum von Hund halte, erhielt ich keine Antwort. Stattdessen blickte sie starr geradeaus. Total verunsichert und enttäuscht fuhr ich weiter, bis nach etwa fünf Minuten plötzlich von der Seite ertönte: "Du spinnst! - Das ist doch kein Hund mehr!"
Ich ließ natürlich nicht locker, und 3 Monate später stand nach dem Besuch des vierten, 140 km entfernt in Königsbrunn wohnenden Züchters, bei dem mir die Voraussetzungen am familiärsten und liebevollsten erschienen, die Entscheidung fest: Ein Mädel des Frühjahrswurfs vom März 93 wird unser neues Familienmitglied. Als die Welpen 6 Wochen alt waren, stattete ich ihnen einen Besuch ab. Es war ein Quartett, ein Rüde, hofiert von 3 Weiberln. Ich setzte mich zu ihnen. Alle beschnupperten mich neugierig, und ein Mädel fand, dass sich meine Jeans auf Oberschenkelhöhe auch hervorragend als Kopfkissen eigneten - und döste zutraulich zufrieden sofort ein. Und schon war so die Wahl wie von selbst gefallen. Sie hieß Orka - nach dem Killerwal - weil sie auch so schön schwarz weiß gezeichnet war. Ein großes weißes Herz auf der Brust, eine weiße Schwanzspitze und eine Pfotenspitze weiß. Allerdings stand da schon fest, dass sie diesen Namen bei uns nicht behalten würde, denn wir hatten familienintern eine gemeinsame Abmachung getroffen: Ich bestimme die Rasse, meine Frau mit weiß die Farbe und ihr Sohn den Namen. Sein Vorschlag Cindy wurde einstimmig angenommen, nachdem ich mich ja schon mit der Rasse vorweg durchgesetzt hatte. Nur meine Frau zog mit weiß den Kürzeren, da halt kein Weißer dabei war. Es waren vier Graue. Ein kleiner Trost waren die schönen weißen Zeichnungen, insbesondere das weiße Herz auf der Brust.
Als wir sie am 28. Mai 98 mit 10 Wochen abholten, saß sie allein auf dem Hof und jammerte gotterbärmlich, weil ihre Geschwister auch gerade abgeholt worden waren. Das Auto hatten wir vor dem Beifahrersitz mit Zeitungen ausgelegt - für alle Fälle. Doch später bei der zweieinhalbstündigen Heimfahrt saß sie nur völlig teilnahmslos traurig vor sich hinstarrend und gelegentlich einen hellen Wimmerton herauspiepsend bei meiner Frau auf dem Schoß als kleines schlankes Knäuel mit ewig langen Haxen und einem überlangen Schwanz, der irgendwo immer im Weg zu sein schien. Jugendliche, die in einem VW-Bus an einer Ampel neben uns standen, drehten die Scheibe runter, fragen, was das "Teil" da eigentlich sei und lachten nach unserer Aufklärung herzhaft los mit den Worten, dass sie so einen Hund noch niemals gesehen hätten. Bis daheim blieb unser Knäuel auf dem Schoß sitzen - ohne Malheur. Und nachdem sie fast 2 Stunden vom Trennungsschmerz gezeichnet auf kein Zureden reagieren wollte und demonstrativ an uns vorbeischaute, begann sie dann doch so langsam, uns, das Auto und die Umgebung draußen zu mustern nach dem Motto: Wo bin ich denn jetzt hingeraten.
Zuhause folgten noch ein paar wehmütige Piepser - doch dann gewann die Neugierde auf die neue Umgebung die Oberhand. Garten, Haus, Sohn, andere Kinder und Erwachsene, alle wurden freundlich wedelnd begrüßt, ohne sich jedoch bei dieser Vielfalt an neuen Reizen jeweils mit irgendwas oder -jemand lange aufzuhalten.
In der ersten Nacht wurde die eigene Matratze in der Küche unter der Anrichte noch gerne verschmäht, wo doch 2 Kinder auf Matratzen davor als Begleiter durch die erste Nacht viel interessanter zum Ankuscheln waren - und auch zum mal Anbieseln.
Schon ab der 3. Nacht war das Alleinschlafen auf der jetzt doch eroberten eigenen Matratze kein Problem mehr, zwei Wochen drauf waren auch die persönlichen "Geschäfte" perfekt ins Freie verlegt.
Ein paar liebkosende Bisse in die dafür offensichtlich bereitstehenden Damenpumps - es waren die Hochzeitsschuhe meiner Frau - machten mangels geschmacklicher Anreize und noch dazu verbunden mit unverständlicher verbaler Aufregung und Zurechtweisung durch die 2 Chefs (Herrchen und Frauchen reagierten da, warum auch immer, irgendwie nicht besonders erfreut) auch bald keinen Sinn mehr. Andererseits war dies bei all den herumstehenden Schuhen der eindeutige Beweis dafür, dass Cindys Geschmack und die entsprechenden Auswahlkriterien vom Feinsten waren.
Mit welcher "Leichtigkeit des Seins" ein Irish Wolfhound von Kleinauf Herzen erobern kann, erlebten wir auf fast unglaubliche Art und Weise, als Cindy, 11 Wochen alt, gerade mal 6 Tage unsere Kleinfamilie bereichert hatte. Meine Eltern kamen zu Besuch. Vorsorglich hatten wir lieber nichts von unserem Familienzuwachs erzählt, denn seit wir einmal so ganz nebenbei das Thema Hund erwähnt hatten, kam von den Eltern an die Adresse meiner Frau fast bei jeder Gelegenheit der 'gute Rat', sie solle mir auf jeden Fall diese 'Spinnerei' ausreden. Dazu vielleicht noch soviel, meine Mutter war zu dieser Zeit 74 Jahre und mein Vater 75. Und wer meine Mutter jemals in ihrem fast zurückgelegten Dreiviertel-Jahrhundert beobachten konnte, dem war diese Reaktion auch klar. Zeigte sich irgendwo ein Hund, ob groß oder klein, verschwand meine Mutter im Windschatten meines Vaters - und das am liebsten auf der anderen Straßenseite. Sie hatte einfach Zeit ihres Lebens vor Hunden eine Riesenangst. Und Vater war auch nicht gerade ein großer Hundefreund. Doch ab diesem 5. Juni 1993 sollten sich ihre Einstellungen gegenüber Hunden, geprägt von gemeinsam immerhin rund 150 Jahre Lebenserfahrung, genau ins Gegenteil verändern. Vater stand in der Einfahrt am Auto und wollte gerade einen Koffer rausholen, und Mutter stand bereits in der geöffneten Haustür, als Cindy - neugierig wie immer aus dem Garten herbeigeeilt bei diesen fremden Stimmen - anfing, die Beine meiner Mutter mit ihrer feucht kühlen kleinen Hundeschnauze zu beschnuppern. Es folgte ein spitzer Aufschrei - begleitet mit einem Sprung ohne Ansatz einen halben Meter vor die Haustür: "Was ist denn das?! Da ist ja ein kleiner Hund. Habt ihr Besuch?" Mit halb entsetztem, halb ungläubigem Blick schaute sie mir direkt in die Augen, wobei sie auf ein dezentes Hochziehen der Augenbrauen, verbunden mit einem breiten verschmitzen Grinsen traf, bei dem meine Mundwinkelfalten fast die Ohrläppchen berührten. Diese Reaktion meiner Gesichtszüge sprach offenbar mehr als 1000 Worte. "Ihr habt euch einen Hund gekauft", fuhr es aus ihr heraus, wobei das Ängstliche in ihrem gebannten Blick auf Cindy eher schon in Richtung erster Neugierde wich. Währenddessen ließ Vater beim Auspacken in der Einfahrt wie erstarrt den gerade hochgehievten Koffer - wie durch einen plötzlichen Schock völlig entkräftet - wieder wie einen schweren Stein in den Kofferraum hinabsacken. Wortlos blickte er zu uns herüber und schüttelte nur den Kopf, wobei nicht genau zu definieren war, ob dies eher als ungläubig oder aber als verständnislos zu werten war. Wer ihn in diesem Augenblick so erlebt hat, wäre niemals auf die Idee gekommen, dass sich innerhalb kürzester Zeit bei ihm, und noch schneller bei meiner Mutter ein Wandel um 180 Grad zum Beginn einer tiefen und herzlichen Tier-Freundschaft und Tier-Liebe vollziehen sollte.
Die ersten Berührungen fielen meiner Mutter zwar anfangs an diesem ersten Tag noch etwas schwer, aber Cindy machte es ihr leicht, indem sie ständig schmusebedürftig um sie herumschwänzelte und die zunehmenden Streicheleinheiten von meiner Mutter sichtlich genoss. Eher unsicher näherte sie sich allerdings meinem Vater. Zwar probierte sie es ab und zu, nachdem von ihm jedoch keine Reaktion kam, behielt sie ihn zwar im Auge, drängte sich aber nicht auf. Ihr beharrliches und vorsichtiges Buhlen nach seiner Zuneigung wurde erstmals drei Tage später beim Abschied belohnt. Ein kurzes Streicheln über Ihr Hinterteil war der erste Liebesbeweis meines Vaters und das Zeichen, dass der weiche Kern längst über die harte Schale gesiegt hatte. Und so hörten sich jetzt seine früheren Warnungen: "Wenn ihr euch einen Hund kauft, baue ich ihm vielleicht einen Zwinger, auf jeden Fall kommt der mir aber nicht ins Haus" schon deutlich dezenter an: "Ich möchte ja nicht, dass ihr wegen der Cindy jetzt nicht mehr kommt. Aber eins ist klar, ich lasse sie zwar bei uns zuhause rein, aber sie bleibt in der Diele.
Zwei Wochen später machte ich mich mit Cindy auf, auch die letzten Barrieren zu brechen. Wir besuchten zusammen die Eltern. Sie stürmte, kaum dass die Haustür sich öffnete, sofort gewohnt vorwitzig neugierig mit vibrierenden Nasenflügeln in die so einladend nach Essen duftende Küche, vorbei an meinem Vater, der nur noch ein halb resignierendes und im überraschten Hals steckenbleibendes: "Aber ich habe doch gesagt nur in die Diele" hervorbringen konnte. Ich klärte ihn auf, dass Cindy leider noch nicht so schlau wie wir sei und so den Unterschied zwischen Diele und Küche einfach noch nicht kenne. Ansonsten hätte sie sicherlich nicht gewagt, die von ihm gesetzten Grenzen zu überschreiten. Mutter lachte und auch Vater konnte es sich kaum noch verkneifen und versuchte es nun noch mit einer letzten Trumpfkarte. "Aber eins sage ich euch. Jetzt ist sie schon mal in der Küche. Dann kann sie halt in Zukunft auch bis hierher reinkommen. Ins Wohnzimmer kommt sie mir aber nicht. Das bleibt für sie tabu." Und zu Cindy gewandt: "Hast Du mich verstanden?!" Wie gut sie ihn verstanden hatte, sah ich dann am Abend, als ich ganz kurz weg war und beim Zurückkommen verduzt in der Diele, wo mein 'Mädi' mich 10 Minuten schwanzwedelnd mit zwei Piepsern verabschiedet hatte, eine leere Matratze vorfand. Als ich sie auch in der Küche nicht fand und das Haus bis auf das leise Gemurmel des Fernsehers im Wohnzimmer friedvoll still fern von jeder Hektik vor sich hinschlummerte, ahnte ich schon, was sich gleich beim Öffnen der Wohnzimmertür bestätigen sollte. Genüsslich kuschelte sich meine Cindy an die Füße meines Vaters, der bei meinem Eintreten ganz furchtbar konzentriert auf den Fernseher und die geliebte Tagesschau starrte, so als habe er mich überhaupt nicht bemerkt. Auf meine vorsichtige Rückfrage: "Ich habe gedacht, nicht ins Wohnzimmer" erfuhr ich nur noch lapidar: "Das ist jetzt auch schon Wurscht". Mit dieser etwas ungewöhnlichen Sympathiekundgebung war Cindy bei meinen Eltern nun also auch offiziell und endgültig in den Familienkreis aufgenommen - und in ihre Herzen.
Es begann eine sehr schöne und aktive Zeit, in der Cindy offen und zutraulich mit jedem Hund freudig schwänzelnd Freundschaft schließen wollte. Am liebsten fegte sie mit Gleichaltrigen über die Felder hinterm Haus. Heute steht auf diesem Hundeparadies, wo sich allabendlich etwa 10 bis 15 Hunde jeglicher Couleur und jeden Alters mit Anhang trafen, eine neue Häuser-Siedlung. Selbst hier auf dem Land kann man im Zeitraffer beobachten, wie die Freiräume weniger werden und damit auch die Treffpunkte der Hundehalter, wo Ratsch und Tratsch - nicht nur über die Hunde und ihre tagesaktuelle Befindlichkeit samt Schilderung des Stuhlgangs etc. - zum schönen alltäglichen Ritual gehörten.
Zweimal Hundeschule, zu 80 Prozent für mich, zu 20 Prozent für Cindy, sorgte schon bald für das genügende Verständnis für und miteinander, wenn es auch gelegentlich aufgrund eines rätselhaften temporären Gedächtnisschwundes in irgendeiner Hirnwindungsschublade kurzfristig verschollen war und wieder etwas aufgefrischt werden musste. Warum auch aufs Wort gehorchen, wenn es aufgrund der liebenswerten Souveränität doch sowieso eigentlich keinen Grund zum Meckern gab. Somit könnte man sie, wie es überhaupt rassentypisch ist, als liebenswert gehorsam - nach eigenem Gusto - beschreiben.
Dass eine Versicherung nicht ganz unangebracht ist, zeigte sich zum Beispiel bei zwei Versuchen von Cindy, Federvieh eine spielerische Freundschaft anzubieten. Der Hals der Zuchtente eines unserer Nachbarn hielt ihrer Aufforderung zum Spielen mit einem ermunternden Pfotenschwung leider nicht in gleichem Maße stand wie das jeweilige Rückrat ihrer Hundespielfreunde. Nachdem die Ente nach der Pfotenaufforderung nur noch den Kopf hängen ließ, brachte Cindy den lust- weil leblosen Spielkameraden ganz vorsichtig im Maul transportierend zunächst einmal zum Nachbar direkt neben uns. Der allerdings verrollte nur die Augen und zeigte wenig Verständnis für aufmunternde Worte oder gar Streicheleinheiten. Auch zeigte er überhaupt kein Interesse an dem Geschenk, das sie ihm mitgebracht hatte. Stattdessen wurde sie mit Unverständnis für ihre missliche Lage bestraft und mit einem strafenden "Was hast denn Du da gemacht? Schleich Di!" nach Hause geschickt. Schon am nächsten Tag zog dieser Nachbar zwischen seinem und unserem Grundstück einen Zaun, um damit seine beiden täglich an der Leine im Garten ausgeführten Angora-Zuchtkatzen vor ähnlichen Übergriffen bzw. Sympathiebezeugungen zu schützen. Cindy, derart missverstanden, trottelte nach der frustrierenden Begegnung mit dem Nachbar mit ihrer nicht dazu bereiten "Spiel"-Ente nach Hause und legte uns dieses inzwischen nicht mehr interessante Mitbringsel behutsam auf die Terrasse - und sich anschließend bequem und sich tiefschlafend stellend wieder auf ihr Bett in der Diele. Erst eine Stunde später fanden wir, alarmiert durch den Nachbar, das Ergebnis ihres Ausfluges, von dem wir überhaupt nichts mitbekommen hatten. Es war die Lieblings-Ente der Tochter unserer Nachbarn. Abends zuhause vergoss sie zuerst einmal Tränen, um dann rüber zu kommen, Cindy zuerst einmal die Schlappohren noch länger zu ziehen und sie dann herzlich zu drücken mit den Worten: "Aber Dir kann man ja nicht böse sein. Nur mach so etwas bitte nie wieder!" Wir alle - Cindy eingeschlossen - waren erleichtert, auf so viel Verständnis zu stoßen.
Und auch bei einem Huhn schlug die letzte Stunde, als der Spaziergang und das Passieren des Bauernhofes für Cindy plötzlich durch das Flattern eine ungeahnt interessante Wendung nahm und sie einen erfolgreichen Jagdinstinkt bewies - um anschließend mit dann doch schlechtem Gewissen den so oft und immer wieder so erfolgreichen praktizierten Augenaufschlag einzusetzen und damit die plötzlich ins Gegenteil umgeschlagene gute Stimmung wieder zurückzugewinnen.
Hervorragende Wachhundeigenschaften bewies sie auch - so etwa zweimal jährlich, wenn der Schornsteinfeger kam. Dieser unheimliche, schwarz gekleidete Besucher, ausgestattet mit einem wie eine mehrfach gewundene Riesenhalskette umgehängtem Besen und einer Leiter, war ihr nicht geheuer. Er erlöste sie vom Verdacht, stumm zu sein. Mit ihrem ersten kräftigen tiefkehligen Bellen stellte sie unter Beweis, dass mehr oder weniger liebenswerte und immer wieder zu hörende Titulierungen wie "Riesenkalb", "Esel", "Pferd", "Genratte", "Ungetüm" usw. schlichtweg reine Verleumdungen waren und kein Zweifel an ihrer Herkunft aus der Zunft der "Besten Freunde des Menschen" bestand. Dass ihr diese Herkunft sofort auch die gebührende Achtung einbrachte, bewies auch der Schornsteinfeger, als sie zwei Meter vor ihm - zum ersten mal in ihrem Leben bellend - sich auf die Hinterpfoten aufstemmend hochstieg. Er blieb wie angewurzelt stehen und hätte in diesem Moment wahrscheinlich keinen Tropfen Blut mehr gegeben, so krass war der Kontrast zwischen seiner schwarzen Kluft und dem vor Schreck käsweißen Gesicht. Diese Episode blieb jedoch einmalig. Bei künftigen Besuchen beäugte sie ihn zwar stets etwas misstrauisch, aber von Mal zu Mal gelassener.
Dass ihm Ähnliches blühen könnte, vermutete wohl auch der Postbote bei seinem ersten Besuch mit einem Päckchen. Als sie, mit inzwischen etwa einem Jahr doch schon leicht beeindruckend auf ihre endgültige Größe von 81 cm Schulterhöhe herangewachsen, plötzlich neben mir stand und genauso neugierig wie ich rausschaute, wer da klingelt, verschwand der Postbote, der uns gerade noch freundlich lächelnd ein Paket entgegengehalten hatte, in Sekundenbruchteilen aus unserem Blickfeld. Ich glaubte noch so etwas wie ein urplötzliches jähes Entsetzen in seinem Gesicht gesehen zu haben und konnte in diesem Moment beim besten Willen nicht sagen, ob Cindy oder ich jetzt ganz spontan einen perplexeren Blick drauf hatten. Als ich mal vorsichtig aus der Haustür heraustrat und rechts um die Ecke spähte, stand er eng an die Hauswand geschmiegt einen Meter entfernt, hielt mir das Paket entgegen und erklärte sein zunächst so seltsames Verhalten damit, dass er schon dreimal gebissen worden sei. Ich, aber noch besser Cindy konnten ihn jedoch bereits an diesem Tag überzeugen, dass Hund nicht gleich Hund ist. Und so entwickelte sich zwischen beiden eine schöne Freundschaft mit Goodies und erfreutem Wedeln bei jedem Besuch.
Gleich, wo auch immer wir oder einer von uns mit ihr unterwegs waren, Cindy sorgte fast ständig für Aufsehen, ob in Lokalen, in München beim Spazieren, in Südfrankreich - überall.
Es begann damit, dass beim Spazieren gehen mit Cindy, als sie gerade mal ein halbes Jahr alt war, plötzlich eine junge gutaussehende Frau Mitte Zwanzig in ca. 10 Meter Entfernung wie angenagelt stehen blieb, um dann um so rasanter in meine Richtung loszustürmen. Während ich in Sekundenbruchteilen fieberhaft versuchte zu erkunden, ob ich sie denn wohl kennen müsse, stellte sich - wie später immer und immer wieder - heraus, dass ich ihr völlig egal war. Sie hatte Cindy entdeckt und ich erfuhr, dass sie selbst bis vor 2 Jahren einen Irish Wolfhound gehabt habe, der nach ihrer Beschreibung inklusive dem Ausdruck von Cindys halb gleichgültig, halb neugierigen Augenaufschlag ein Ebenbild von ihr gewesen sein muss. Sie bot an, jederzeit, wenn ich mal wieder in der Nähe sei und mal für ein bis zwei Stunden auf Cindy verzichten könnte, gerne mit ihr spazieren zu gehen. Um sich nicht abrupt wieder von Cindy losreißen zu müssen, fragte sie, ob sie denn meinen Hund mit einem kleinen Leckerli beglücken dürfe, und zwar mit dem, das ihr Hund am meisten geliebt habe. Ich war einverstanden und musste zwanzig Meter weiter erfahren, dass für sie mein Hund in diesem Moment alles und ich nichts war. Denn bei einer Eisdiele gab's für Cindy 2 Bällchen in der Waffeltüte, die Frau holte sich eins - und ich stand mit nichts da und war selbst für meinen Hund in diesem Moment absolut abgemeldet. Cindy demonstrierte eine Gier und Lust auf das Eis, dass selbst das eine Bällchen der Gönnerin zum Großteil als weitere Dreingabe genüsslich runterschlingend mit einem Schnapperer in ihrem "kleinen" Schlund verschwand. Erst als ihre Zunge die Schnauze und alles, wo sie sonst noch eine kleine Restspur von Eis und Krümeln vermutete, durch stetes Drüberschlecken fein säuberlich poliert hatte, fand ich in dem Maße wieder die Gnade ihrer Aufmerksamkeit zurück, in dem diese Gönnerin ohne irgendwas in der Hand ihr wieder gleichgültiger wurde.
Dass in diesem Augenblick jedoch der Grundstein für einen herzerweichenden Eisblick gelegt war, sollte ich erst Wochen später und ab da für den Rest ihres Lebens erfahren, als ich nämlich mit meiner Familie beim Italiener Eis in der Tüte holte und Cindy vor lauter Lust und Gier überhaupt nicht mehr wusste, wem von uns Dreien sie denn jetzt wohl zuerst das geliebte Schmankerl abbetteln könnte. Ab da waren wir gewarnt, und so konnte ich auch kurz darauf einen kleinen Buben vor einem noch größeren Schock bewahren. Beim Spazieren gehen in Wasserburg stand plötzlich unter den Arkaden beim Umbiegen um einen der so idyllisch geschwungenen Pfeiler ein kleiner, etwa 4-jähriger Knirps vor uns, in der linken Hand stolz seine Eistüte hochhaltend und von Cindy's unerwartetem Auftauchen derart überrascht, dass er ganz vergaß, die Hand mit dem Eis weiter Richtung halb geöffnetem Mund zu führen. Cindy, locker an der durchhängenden Leine neben uns hertrabend, überriss sofort die Situation und verstand dieses Einhalten der Bewegung wohl als Einladung. Sie steuerte instinktiv mit vibrierendem Riechkolben auf die geliebte Süßspeise zu und stand, bevor irgendjemand auch nur reagieren konnte, dem Jungen Auge in Auge gegenüber - und zwischen beiden das Eis. Die Augen des Buben weiteten sich zu einer Größe, die der des Bällchens in seiner Tüte um nichts nachstand, während der Rest seines kleinen Körpers zur Salzsäule erstarrt schien. Gerade noch rechtzeitig konnte ich Cindy ca. 20 Zentimeter vor ihrem Ziel mit einem Ruck in der Leine den Spaß verderben. Der Kleine jedenfalls nahm's ab diesem Augenblick gelassen, fing an juchzend zu lachen und Cindy hinterher zu sprinten, ihr mit ausgestrecktem Arm das Eis entgegenhaltend. Auch die Eltern lachten, aber Cindy bekam natürlich nichts, erst später, als wir uns wieder was gönnten. Ab dieser Stunde jedoch behielt ich sie immer vorsichtig etwas enger an der Leine, wenn wir uns einer Eisdiele oder einem dort käuflich erworbenen Produkt in irgendeiner Weise irgendwo näherten.
Ebenfalls bei einem Spaziergang in Wasserburg am Inn entlang musste ich im späten Sommer 93 zum ersten Mal auch erleben, dass mein Hund letztendlich wasserverspielt, aber schwimmscheu, dafür jedoch raffiniert ist. Ich traf einen Bekannten, der gerade mit seinem Boxerhund zum Ufer des Inn hinabschlenderte. In der Hand hielt er schon einen etwa einen Meter langen Baumast vorbereitet. Der Boxer schien keinerlei Umgebungsgeschehen mehr zu registrieren, sondern sprang wie ein Jojo Richtung Ast, den er nicht mehr aus seinen aufmerksam fixierenden Augen ließ. Mit dem Ruf: "Jack, hol ihn", warf sein Herrchen den Ast etwa 20 Meter weit in den Inn. Cindy sprang aufgeregt hinter Jack her. Während er jedoch mit drei, vier kräftigen Sätzen in die Fluten hechtete, vollzog Cindy, als das Wasser rund um sie herum aufspritze, eine abrupte Vollbremsung mit durchgedrückten Vorderbeinen und halb eingeknicktem Hinterteil. An dieser Einstellung: Bis zum Bauch - ja, weiter - nein, sollte sich auch in Zukunft nichts mehr ändern. Für Cindy hieß das jetzt aber nicht, Jack, der sich mit der Strömung und seinem Ziel Ast flussabwärtstreibend tapfer und mit einer Speedy Gonzales gleichen Paddelfrequenz durch die Wellentäler kämpfte, traurig und hilflos hinterher zu jammern oder vielleicht gar verschämt abzudrehen. Nein, ein Ast schien es ihr nicht wert zu sein, ihr Leben zu riskieren. Aber so ganz uninteressant war er andererseits auch nicht, zumal Jack dafür ja sogar alles um sich herum zu vergessen schien. Sobald sie am Innufer Halt und Stand gefunden hatte, genügte ein kurzer hochaufgerichteter Blick, und schon hatte sie die Lage gecheckt. Mit Sprüngen, die einer aufgeregten, aber zu gut ernährten Gazelle mit flatternden Schlappohren glichen, hechtete sie im niedrigen Wasser flussabwärts, Jack dabei nicht aus den Augen lassend. Nachdem dieser 100 Meter weiter flussabwärts mit einem ansatzlosen gezielten Kopfruck und Biss ins aufspritzende Wasser endlich seinen so heiß geliebten und ersehnten Stock geschnappt hatte und mit ihm wieder Richtung Ufer unterwegs war, erwartete Cindy beide schon freudig mit dem Schwanz wedelnd. Und als Jack endlich wieder das flache Wasser und damit Halt unter den Pfoten erreicht hatte, schnappte sich meine raffinierte Wasserscheue einfach den auf einer Seite weit aus seinem Maul ragenden Ast und zog mit einem kurzen heftigen Ruck an. Jack, den es einen halben Meter mit seinem Lieblingsspielzeug nach oben hievte, war zu erschöpft, um so spontan Widerstand zu leisten. Und schon trabte mit triumphierend hochgerecktem Kopf Cindy heran, quer im Maul und lustvoll darauf herumbeißend die Trophäe der Begierde. Jack folgte in ihrem Windschatten, vor Nässe triefend, mit sehnsüchtig hilflosem Blick auf seinen geliebten Ast und unschlüssig, was er jetzt zu dessen Wiedereroberung unternehmen könnte, um dann zu uns zurückgekehrt völlig abgekämpft einen Meter neben ihr stehen zu bleiben, beraubt um das Objekt seines so mutigen Einsatzes. Cindy überließ ihm mit einem letzten kraftvollen Biss, mit dem sie das Holz in zwei ungleiche Hälften teilte, wieder seinen so heißgeliebten Ast beziehungsweise das, was jetzt noch davon übrig war. Während sich Jack sofort das größere Reststück schnappte und damit in Sicherheitsabstand davon düste, musterte Cindy mangels weiterem Astinteresse den Uferspazierweg auf der Suche nach einem Spielfreund, der mehr auf ihre weiblichen Reizen stand als auf einen Holzprügel.
Einen solchen Freund fand sie im Herbst beim Urlaub am Meer. Und wieder war es ein Boxer, ebenfalls wie sie mit einem großen weißen Herz auf der stämmigen Brust gezeichnet. Beiden genügte eine Sekunde Beschnuppern, um zu erkennen, dass die Chemie zwischen ihnen stimmte und damit auch sämtliche möglichen sprachlichen, sozialen, kulturellen oder sonstigen Hundebarrieren aus dem Weg geräumt waren. Was folgte war bei strömendem Regen ein kleiner Menschenauflauf im Pinienhain, der wie ein rotierender Halbkreis mit etwa 30 Meter Durchmesser dem wilden Treiben der beiden folgte. Bei Cindy und ihrem neuen Freund war nicht eindeutig zu erkennen, wer wen jetzt gerade verfolgte, denn vor lauter über den anderen Stolpern und unfair auf der Innenbahn am anderen Vorbeigaloppieren wurde innerhalb von Sekunden aus dem Verfolger wieder der Verfolgte. Hatten Cindys lange Haxen auf den geraden Sprintstrecken mit raumgreifenden Sätzen leichte Vorteile, so besaß der Boxer in Kurven mit seiner kurzen, Turbopower unterstützen Übersetzung inklusive besserem Drehmoment eindeutig die besseren Karten. So gab es bei diesem Duell keinen Sieger und keinen Verlierer. Nur beim Aneinander-Hochsteigen hatte der Boxer keine Chance, konnte sich jedoch beim Runterdrücken durch Cindy immer geschickt mit einer Seitwärtsdrehung aus ihrer Vorderpfotenumklammerung herauswinden. Nach einer Viertelstunde Herumtoben gingen die Liebesbeweise vom rohen Kräftemessen ins Schmusen über, nicht zuletzt, weil beide dabei so schön glücklich erschöpft nebeneinander ins nasse Gras sinken konnten, soweit sie an dieser Stelle nicht gerade zuvor mit ihren Hinterläufen leichte Umpflügspuren hinterlassen hatten und sich in frisch aufgeworfener Erde wälzten. Sie wischten sich nun mit ihren hechelnden Zungen gegenseitig den nichtvorhandenen Schweiß aus dem Gesicht, wobei der Boxer auch interessante Schmusestellen an Cindys hinterer Körperhälfte suchte. Ein kurzes knurrendes Herumschießen ihres Kopfes brachte ihn aber jeweils schnell wieder auf andere Gedanken. Dass aber Sich-Gegenseitig-Ansabbern auf Dauer auch langweilig ist, zeigten nach kurzen Erholungsphasen schon wieder die nächsten Fang-Mich-Attacken, die jedoch zeitlich immer kürzer wurden. Eines war inzwischen klar - Liebe unter Hunden kann einen Riesenspaziergang mehr als ersetzen.
Als Cindy nach einer halben Stunde völlig entkräftet im Appartement zu Boden sankt, schien ihre Zunge vor lauter Hecheln jeglichen Rückhalt im Maul verloren zu haben. Sie erschien doppelt lang als sonst und lag, aus ihrem hechelnd aufgerissenen Maul hängend, wie ein roter, mit weißen Schaumbläschen überzogener nasser zuckender Lappen auf dem kühlen Fliesenboden. Ihr nasses Fell, das sich rhythmisch zusammen mit dem riesigen Brustkorb hob und senkte, glänzte klebrig glitschig vor lauter liebkosend hinterlassenem Speichel. Nach 10 Minuten hörten wir plötzlich wehmütige Piepser aus der Küche. Voller Besorgnis, dass sie sich zuvor vielleicht doch übernommen hat und ihr jetzt ernsthaft etwas fehlt, stürzten wir aus dem Wohnraum gemeinsam um die Ecke in die Küche. Weit gefehlt. Als hätte ihr die kurze Pause völlig zum Regenerieren gereicht, tänzelte sie aufgeregt vor der Balkontür, die sie mit kräftigen Pfotenschlägen zum Öffnen überreden wollte. Jetzt war auch klar, dass die Piepser nicht von körperlichen Schmerzen herrührten, sondern eher von liebestollen Herzschmerzen zeugten. Denn vor dem etwa einen Meter über dem Erdboden liegenden Balkongeländer hatte sich ihr neuer Verehrer auf den Hinterläufen hochgestemmt und schmachtete sie durch die schmiedeeisernen Gitterstäbe und die geschlossene Balkontür voller frisch verliebter Sehnsucht an. Den Kopf hatte er zwischen den mit weit auseinandergespreizten Krallen auf die Brüstung gepressten Vorderpfoten soweit es ging unter den Gitterstäben durchgeschoben, wodurch die Lefzen ausladend nach beiden Seiten plattgedrückt wurden. Der Anblick dieses seine neue Geliebte anbetenden Boxerkopfes erschien dabei noch breiter, gedrungener und massiger als zuvor. Gleichzeitig heulte er ihr eine herzerweichende Arie von Sehnsucht und Liebesschmerz entgegen. Kaum hatten wir die Balkontür geöffnet, folgte eine stürmische Begrüßung. Cindys Aufforderung zum Reinkommen, mit Pfotenhieben auf die Schnauze, zeigten, dass ein verliebter Boxer ganz schön was einstecken kann. Er wurde nur noch wilder im Verlangen nach ihr. Und ehe wir uns versahen, schlüpfte unser raffiniertes Weib durch ein urplötzliches kräftiges Anschieben mit den Hinterhaxen bei Blitz und Donner unter den Gitterstäben durch - und das Liebesspiel begann von Neuem. Schade, dass die Besitzerin des Boxers den letzten Tag Urlaub hier verbrachte. Zwar fand Cindy noch oft liebevolle und feurige Verehrer, aber nie mehr wieder erlebte sie mit einem anderen "Liebhaber" eine derartig intensive und ausdauernde, alles um sich rum vergessende Begeisterung. Zuhause musterte sie in den folgenden Monaten jeden Boxer, der uns begegnete, um dann jedes Mal enttäuscht festzustellen, dass er es wieder einmal nicht ist.
Nach einiger Zeit gab sie die Boxermanie auf, nicht zuletzt, weil sie zuhause ja längst einen weiteren Verehrer hatte, Leo, seines Zeichens wie sie ein "von" und noch dazu ebenfalls ein Irish Wolfhound und somit der erste Freund, zu dem sie endlich einmal aufschauen konnte.
Und wieder heißt es: Wie es weiterging, erfahren Sie bald.